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Der hessische Mindestwassererlass

Seit März 2017 ist der neue hessische Mindestwassererlass in Kraft und löst den vorherigen Erlass aus dem Jahr 1996 bzw. den Jahren 2002 und 2007 ab.

 

Gegenüber der alten Erlasslage verdrei- bis vervierfacht der neue Erlass die abzugebende Mindestwassermenge gerade für die kleinen Anlagen. Eine Wassermenge, die von nun an nicht mehr zur Stromerzeugung von regenerativem, regionalem Grundlaststrom zur Verfügung steht.

89% aller hessischen Wasserkraftanlagen sind Ausleitungskraftwerke und damit vom Erlass betroffen, obwohl sie das Wasser unverändert wieder einleiten. Der Erlass verursacht durch die stark erhöhten Wasserabgaben im Mittel ca. 20% Erzeugungsverlust über alle Anlagen hinweg und damit eine Mindererzeugung von mindestes 54 GWh und bis zu 120 GWh stetigen, regionalen und erneuerbaren Stromes pro Jahr. Dieser Strom kann nur durch Kohle- oder Atomstrom kompensiert werden. Dies entspricht dem Verbrauch der Privathaushalte einer Stadt wie Gießen, Marburg oder Hanau, der zukünftig durch Atom- oder Kohlestrom ersetzt werden muss.

Der Erlass betrifft rund 550 Wasserkraftanlagen in Hessen und wird mittelfristig davon ca. 400 Wasserkraftanlagen und Mühlen (ca. 70 %) in Hessen zur Aufgabe zwingen. Diese fast immer jahrhundertealten Standorte werden mit dem Erlass unwirtschaftlich werden und trotz einer festen Zusage im Koalitionsvertrag kein Förderprogramm erhalten. Im ersten Schritt sieht das Umweltministerium im jetzigen Bewirtschaftungsplan 388 entsprechende Maßnahmen vor.

Es gibt keinen Nachweis über eine Verbesserung der Fischbestände aufgrund dieser Maßnahmen!

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Die Begründung des Erlasses

 

Der Erlass wird offiziell durch die Vorgaben der WRRL gerechtfertigt. Er sei zur Zielerreichung unabdingbar.

 

Doch wie kann es sein, dass ein Erlass, der überhaupt nur 1,2 % der hessischen Fließgewässer betrifft, für die WRRL-Zielerreichung unabdingbar ist?

 

Neben dem Mindestwassererlass sind jedoch eigentlich bei der Erarbeitung des Erlasses viele weitere rechtliche Grundlagen zu beachten gewesen.

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Rechtliche Grundlagen

 

Gesetzliche Grundlagen für den Erlass sind zunächst die §§ 6, 10, 12, 27 bis 31 und 33 WHG. Bei alldem ist jedoch die Frage, wieviel ist genug, um vorgenannte Ziele zu erreichen und wie werden andere Belange wie Ökologie in den Betriebsgräben, Stromerzeugung, Klimaschutz oder Eingriff in das Eigentum abgewogen. Oder werden sie überhaupt abgewogen?

 

Nein! Das Ministerium hat alle relevanten Abwägungen abseits der Ermittelung der Mindestwassermenge, die als einziges im Erlass erfolgt, den Regierungspräsidien übertragen. Sie erhalten damit den "Schwarzen Peter", ohne klare Vorgaben bzgl. dem Eigentumseingriff, der Ökologie in den Betriebsgräben und der Stromerzeugung als wichtigem Beitrag zum Klimaschutz zu bekommen.

 

Dies ist in anderen Bundesländern klarer geregelt. In Baden-Württemberg gibt es einen Wasserkrafterlass, der beispielsweise den Beitrag zur regenerativen Stromerzeugung klar würdigt.

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Keine ausgewogenen Erarbeitung des Erlasses

 

An der Erarbeitung des vorherigen Erlasses waren sowohl Vertreter aus den Wasserwirtschaftsämtern, Fischereireferenten, Gewässerökologen, Planungsbüros und Vertreter der eigentlich vom Erlass am meisten betroffenen Wasserkraftwerksbetreibern, also des Hessischen Mühlenvereins und der Arbeitsgemeinschaft hessischer Wasserkraftwerke beteiligt. Dies wurde jedoch für den neuen Erlass wohl ganz bewusst vom Ministerium vermieden.

 

Bei der Erarbeitung des neuen Erlasses waren ausschließlich Mitarbeiter der Wasserwirtschaft und Fischereiwirtschaft aus den Regierungspräsidien beteiligt, die dem übergeordneten Ministerium ausreichend untergeordnet sind. Man beschäftigte sich in der gleichen personellen Zusammensetzuing auch mit den sogenannten "Alten Rechten" und wie man sie am besten in einer großen Zahl am leichtesten "knacken" könne. Hinzugezogen wurde ein Gutachten, angefertigt von vier Gewässerökologen, deren wirtschaftliche Abhängigkeit von den vorgenannten Stellen naheliegend ist, bzw. keinesfalls ausgeschlossen werden kann. Zudem waren es die einzigen Gewässerökologen, die in Hessen verfügbar waren, und damit sowohl dem Ministerium, also ganz und gar dem Personenkreis der Arbeitgruppe, sehr nahestehend. Es wurden zu keinem Zeitpunkt andere Personen wie ein Vertreter aus dem Kreis der Betroffenen hinzugezogen.

 

Ein ausgewogener Interessensausgleich in einem demokratischen Sinne, also im Wettstreit der besten Argumente, von gesicherten wissenschaftlichen Fakten und unter Beteiligung vor allem der Betroffenen war damit von vorneherein ausgeschlossen. Von maßgeblicher Stelle im Ministerium war damit der Personenkreis und die Aufgabenstellung so vorgegeben worden, dass mit Sicherheit viele Kleinwasserkraftanlagen unwirtschaftlich werden würden.

 

Offizielle Zielvorgabe für die Erarbeitung des Gutachtens war, dass in den Ausleitungsstrecken unter allen Umständen ein ökologisch intakter Lebensraum nicht nur wie bisher für Kleinstlebewesen, sondern jetzt auch für Fische der Referenzzönose gemäß den Vorgaben der WRRL erhalten bleibe. Andere Zielvorgaben wie z. B. die Wirtschaftlichkeit der Wasserkraftanlage oder den Klima-, Emissions- und Ressourcenschutz gab es nicht. So konnte auch nicht betrachtet werden, dass der ökologische Nutzen der Stromproduktion unter der alten Erlasslage, den ökologischen Nutzen in der Ausleitungstrecke unter der neuen Erlasslage bei weitem übersteigen könnte. Die Stromerzeugung ist in Deutschland der größte CO2-Emittent (vgl. Bericht im MDR "Die Top 5 CO2-Verursacher Deutschlands"). Das müsste man doch auch im hessischen Umweltministerium wissen, welches ebenfalls für Klimaschutz zuständig ist. Doch diese Fragestellung wurde schlicht nicht beachtet.

 

Als weiterer wesentlicher Anreiz für das Ministerium zur Erhöhung des Mindestwassers ist auch zu sehen, dass das Betriebswasser und damit die Stromerzeugung und der Ertrag reduziert wird. In Folge der verminderten Einnahmen wird einWasserrecht unattraktiver und ein weiterer Akteur ist vom Gewässer verbannt. Grundsätzlich können sodann auf Kosten des Steuerzahlers an dieser Stelle Maßnahmen vorangebracht werden, deren ökologische Wirksamkeit oftmals leider sehr kurzfristig ist. Mühlgräben verlanden und das Gewässer nimmt zwangsweise sein in der Kulturlandschaft vorgegebenes Einbettgerinne wieder an. Der Fischbestand nimmt in der überwiegenden Zahl der Fälle ab, was eine wissenschaftliche Studie der Uni Kassel auf Grundlage der amtlichen Befischungsergebnisse für Hessen klar belegt. Der Wasserrechtseigentümer als Gewässerunterhalter entfällt und alle seine Tätigkeiten fallen nun in die Verantwortung der Kommune und damit auf die Tasche des Steuerzahlers. Dies gilt für die Erhaltung von nicht rückbaubaren Wehranlagen, den Bau von Fischaufstiegsanlagen und der allgemeinen Unterhaltung der Gewässerrandstreifen u.v.m.

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Aussagen wie „Der Strom aus Wasserkraft ist leicht zu kompensieren“ sollen im Ministerium gefallen sein. Man fragt sich jedoch, wie die Kompensation von stetigem, regenerativen Strom anders als durch Kohle und Atomstrom erfolgen soll. Hinzu kommt erschwerend die wenig ausgeprägte hessische Energie- und Klimapolitik, die keinen Fortgang findet und als Schuldigen für den stagnierenden Ausbau alleine die Bundesregierung ausmacht.

Man kann sich dabei nur wundern, da doch die zuständigen Ressorts wie Umwelt und Wirtschaft in grüner Hand liegen und es eigentlich voran gehen sollte. 2019 wurden gerade mal vier Windkraftanlagen in Hessen gebaut (vorletzter Platz unter den Bundesländern, vgl. Hessenschau 11.01.2020). Im Jahr 2020 wird es nicht besser sein.

 

Der Skandal

 

Es zeigt sich letztlich, dass vor dem Inkrafttreten des durch die Arbeitsgruppe erarbeiteten Erlasses überhaupt keine Abwägung im Ministerium mehr stattgefunden hat. Es wurde dem Vorsitzenden der AHW am Vorabend der Unterzeichnung noch ein Gespräch durch den späteren Unterzeichner des Erlasses zugesagt und wenige Stunden später wurde der Erlass durch die gleiche Person unterzeichnet. Diese Unaufrichtigkeit gegenüber den betroffenen 623 Betreibern und Familienbetrieben steht beispielhaft für den gesamten einseitigen Erarbeitungsprozess des Erlasses.

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Die Umsetzung des Mindestwassererlasses

 

Die Umsetzung des Erlasses wird durch das Regierungspräsidium Kassel maßgeblich vorangetrieben. Der frühere Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke hatte seinerzeit ein Moratorium veranlasst, da er den Mindestwassererlass nicht für sinnvoll erachtete, und so den Vollzug ausgesetzt. So lehnte er sich mit Sachversand und Rückgrat gegen das Ministerium auf. Nach seinem Tod setzt sich sein Nachfolger nicht mehr für die Wasserkraft ein, und der Erlass wird bisher maßgeblich von einem Sachbearbeiter mit unnachgiebiger Härte vollzogen. (siehe „Die Betroffenen“).

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Jüngst hat sich auf Druck der IG-Wasserkraft Fulda/Röhn und durch die sehr dankenswerte Vermittlung des Landrates ein Moratorium für den Landkreis Fulda ergeben. Es soll dazu genutzt werden 10 limnologische Einzelfallgutachten für betroffene Mühlen zu erstellen, die nun durch den Landkreis finanziert werden. Die Herangehensweise deutet sich jedoch bisher gleichsam einseitig an und wird von dem üblicherweise zuständigen Sachbearbeiter des RP-Kassel koordiniert und überwacht. Es ist davon auszugehen, das während dieses Moratoriums weitere Anhörungen und auch Anordnungen vorbereitet werden und sobald der Landrat die schützende Hand zurückzieht auch vollzogen werden.

 

Das Regierungspräsidium Gießen hielt sich mit dem Vollzug zunächst zurück und wollte erst im Mai 2021 damit beginnen. Dies hat sich nun wohl auf Anweisung aus dem Ministerium geändert, und es sollen noch in diesem Jahr 2020 eine festgesetzte Zahl von Anordnungen ergehen.

 

Das Regierungspräsidium Darmstadt vollzieht den Erlass ebenfalls, hat jedoch eine wesentlich geringere Zahl an Wasserkraftanlagen in seinem Zuständigkeitsbereich. Bedingt durch die Lage in urbanen und prosperierenden Regionen sind eine Vielzahl der Wasserkraftanlagen im Rhein-Main-Gebiet schon zur Zeit des Wirtschaftswunders und des Mühlensterbens aufgegeben worden.

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Grobe inhaltliche Fehler im Erlass

 

Der Erlass enthält eine Vielzahl von fachlichen und rechtlichen Fehlern, die ihn in auch für die Regierungspräsidien nahezu unvollziehbar machen. Generell ist nur eine umfassende Berücksichtigung der individuellen Situation aus naturschutzfachlicher Sicht sowie aus Sicht der Nutzung am jeweiligen Standort mit ihren Umweltauswirkungen zielführend (vergleiche dazu Gutachten von Dr. rer. nat. Manfred Holzner).

Dies ist leider in keiner Weise der Fall. Im weiteren sollen einige Fehler des Erlasses aufgeführt und erläutert werden:

 

Vernachlässigung der Betriebsgräben

 

Ein erheblicher Fehler mit beträchtlichen nachteiligen ökologischen Auswirkungen ist die völlige Vernachlässigung der Betriebsgräben. Die jetzige Mindestwasserregelung sieht für den Fall, dass der Abfluss die Mindestwassermenge unterschreitet, keinerlei Wasseraustausch in den Betriebsgräben vor. Ober- und Untergräben von Mühlen sind aber auch Lebensräume. Sie stellen bei Hoch- und Niedrigwasser sowie als Schutz vor Prädatoren (fischfressende Tiere und Angler) sehr wichtige Rückzugsräume dar, da sie im allgemeinen gegenüber dem natürlichen Gewässerbett sehr tief sind.

 

Als Grund für ihre Vernachlässigung wird angegeben, dass die Betriebsgräben keine WRRL-Gewässer seien. Diese Begründung raubt einem den Atem und zeigt wie sinnlos diese Vorgabe der WRRL und speziell auch die hessische Auslegungweise ist. Steht den Fischen und Pflanzen in den Betriebsgräben in diesem Fall kein Sauerstoff mehr zu?

 

Unmittelbar nach Erscheinen des Erlasses im Staatsanzeiger hat man den fatalen Fehler auf Anregung eines Betreibers bemerkt und sodann eine sogenannte 1/3 / 2/3 Regelung eingeführt, deren Einhaltung in der Praxis technisch jedoch unmöglich ist. Sie wurde wohl bewusst so gewählt, dass es technisch mit begrenztem Aufwand nicht durchführbar ist. Erneut wurde kein Betroffener einbezogen, um etwa den Versuch zu wagen, den Fehler sinnvoll zu heilen.

 

Jedermann weiß, dass die Betriebsgräben gerade in Äschen und Forellenregionen das wichtigste Rückzugsgebiet für Fische bei Niedrigwasser und auch bei Hochwasser sind. Sie stellen in unserer Kulturlandschaft ein Zweifachgerinne zur Verfügung, welches dem natürlichen Leitbild von Mittelgebirgsflüssen sehr nahe kommt. Die Betriebsgräben sind tiefer als das Mutterbett und sie helfen, den Fischbestand auf einem besseren Zustand zu gewährleisten (vgl. Studie zu Triebwerkskanälen als Biotop in WasserWirtschaft 7/8|2017). Das weiß jeder Angler und so hätten die Fachleute und vor allem die vier Gewässerökologen es doch auch wissen müssen.

 

Alleine daran erkennt man, dass es bei der Erarbeitung des Erlasses nicht um die Ökologie ging, sondern in erster Linie darum, den Wasserrechtsinhabern das Leben so schwer wie möglich zu machen.

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Das Berechnungsverfahren und die Datenlage

 

Die Berechnungsgrundlage für die Mindestwassermenge erfolgt letztlich nach einem deterministischen Verfahren. Um dafür alle erforderlichen Parameter in Erfahrung zu bringen und die Durchführung des langen Verfahrens zu meistern, ist in jedem Fall externe Hilfe erforderlich. Kaum ein Wasserrechtsinhaber ist wohl in der Lage, die Berechnung alleine durchzuführen. Zumal die Eingabedaten aus einer Version des WRRL-Viewers stammen, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung steht. Ebenso sind viele dieser Daten fragwürdig und von zweifelhafter Qualität.

 

Eine große Unsicherheit besteht bei der Bestimmung der Orientierungswerte aus den hydrologischen Hauptdaten des Standortes, welche jüngste Folgen der Klimaänderung nur in sehr unangemessener Weise berücksichtigen. Aber auch bestehen bei der Bestimmung der fischökologischen Bedeutung wesentliche Unsicherheiten in Bezug auf die Datenlage.

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Keine Berücksichtigung des Klimawandels

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Die Datenlage, welche zur Bestimmung der Mindestwassermenge herangezogen wird, berücksichtigt den Klimawandel praktisch nicht und ist daher veraltet. Die Abflüsse in fast allen hessischen Bächen und Flüssen haben sich in den vergangenen Jahren ständig verringert. Der Erlass vernachlässigt dies und greift auf veraltete Daten zurück, was zur Folge hat, dass erhebliche höhere Mindestwassermengen berechnet werden, die den wirklichen hydrologischen Abflussverhältnissen vor Ort nicht mehr entsprechen.

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Kleine Wasserkraftanlagen werden überproportional mit Mindestwasser belegt

 

Kleine Wasserkraftanlagen mit geringem Einzugsgebiet werden stark überproportional mit der Mindestwasserabgabe belegt. Für Anlagen in Einzugsgebieten bis 100 km² bedeutet der Erlass mindestens eine Verdreifachung, meist - durch Zuschläge und die mögliche fischökologische Bedeutung des Gewässers - eher eine Vervierfachung der bisherigen Mindestwassermenge. Es gibt für diese Unverhältnismäßigkeit keine biologische bzw. gewässerökologische oder andere wissenschaftliche Grundlage. Sie ist damit der rein politischen Ausrichtung geschuldet, dass man kleine Wasserkraftanlagen unwirtschaftlich machen will. Hier werden demokratische Grundwerte missachtet und Minderheiten ganz bewusst benachteiligt.

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Kaum mehr Abschläge, sondern nur noch Zuschläge auf den Orientierungswert

 

In dem Erlass gibt es im Gegensatz zu dem vorherigen Erlass kaum mehr Abschläge, sondern fast immer nur Zuschläge auf den sogenannten Orientierungswert, der die Mindestwassermenge grundlegend bestimmt. Die Kriterien für Ab- und Zuschläge sind so gewählt worden, dass praktisch keine Abschläge sondern fast immer nur Zuschläge erreicht werden. Ähnlich ist es auch mit der fischökologischen Bedeutung. Für die allermeisten Standorte trifft dieses Kriterium zu, was zu einer weiteren saisonalen Erhöhung der Mindestwassermenge und damit oftmals zu einer Vervierfachung gegenüber der alten Mindestwassermenge führt.

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Keine Berücksichtigung der Stromproduktion

 

Die Produktion von stetigem, regenerativem und regionalem Strom aus Wasserkraft ist ein wesentlicher Baustein der Energiewende und damit des Klimaschutzes. Diesen Beitrag zu vernachlässigen widerspricht dem Klima- und Energiepolitischen Rahmen der EU, den klimapolitischen Zielen Deutschlands und auch der Hessischen Klimaschutzpolitik.

 

Der Mindestwassererlass widerspricht insbesondere der EU-Richtlinie 2018/2001 zu Förderung und Nutzung der Energie aus erneuerbaren Quellen.

 

Es kann nicht sein, dass sich Wasserwirtschaft auf eine rein gewässerökologische Betrachtung beschränkt. Dies ist Naturschutzfachlich einseitig und sorgt, wie am Beispiel der Mindestwassererlasses gezeigt werden kann, für mehr Schaden als Nutzen.

 

Dies war jedoch bei der Erarbeitung des Erlasses der Fall. Es genügte eine kurze Anfrage des Umweltministeriums beim Wirtschaftsministerium, um eine fatale Einsicht zu festigen: "Die Stromerzeugung durch Wasserkraft in Hessen ist leicht auszugleichen." Und damit war das Thema erledigt.

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Zu den wirklichen Zahlen:

 

In Hessen trägt die Laufwasserkraft mit 3% zur hessischen Stromproduktion bei. Sie stellt damit 7% der landesweiten Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen dar und steuert sogar 22% der stetigen erneuerbaren Stromproduktion in Hessen bei!

 

Dieser Grundlaststrom ist der, den die Energiewende in Deutschland am dringendsten benötigt, da nur durch diesen stetigen und regenerativen Strom der Kohle- und Atomstrom reduziert werden kann! Wind– und Solarstrom muss erst verstetigt werden, was technisch/wirtschaftlich und naturschutzfachlich leider erhebliche Probleme aufwirft.

 

Wasserkraft ist eine wichtige erneuerbare Energie mit erheblichen Beitrag zur Abfallvermeidung, Ressourcen- und Klimaschutz. Bei Anwendung des neuen Mindestwassererlasses über alle 623 Anlagen in Hessen gehen ca. 20% ihrer Stromproduktion verloren. Gerade der Strom, der durch die übermäßige Erhöhung des Mindestwassers nicht mehr erzeugt wird, ist der für die Energiewende wertvollste Grundlaststrom, denn er steht fast das ganze Jahr über zur Verfügung und macht bei den kleinen Kraftwerken die hohe Stetigkeit und Volllaststundenzahl von je nach Standort 4000 – 8000 Volllaststunden aus. Bei dieser Berechnung, die auf zwei voneinander unabhängigen Ansätzen beruht, wurde nicht berücksichtigt, dass die übermäßige Zahl der Kraftwerke (ca. 70%) wegen Unwirtschaftlichkeit durch den Erlass aufgegeben und damit zukünftig überhaupt keinen Beitrag mehr leisten wird.

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Hier finden Sie eine detailllierte Betrachtung zu den Verlusten der Stromproduktion durch den Mindestwassererlass.

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Höhere Betriebs- und Wartungskosten durch Stillstand

 

Betriebs- und Wartungskosten der Anlagen erhöhen sich durch den Stillstand. Viele Anlagenteile wie Gleitlager und Turbinen werden durch Stillstand und Belüftung besonders beansprucht. Korrosion setzt in erhöhtem Maße ein, was auch für 20% höhere Personalkosten sorgt (siehe Beitrag von Dipl.-Ing. Michael Müller in Wassertriebwerk 11/2017).

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Keine Berücksichtigung der Netzdienstleistungen der Wasserkraft.

 

Die kleine Wasserkraft stellt in erheblichen Umfang Netzdienstleistungen zur Verfügung. Dies sind zum einen die stetige Stützung der Verteilernetze in der Region, oftmals als einziger stetiger Stromerzeuger. Zum anderen stellt die Teilnahme am Regelenergiemarkt im Bereich der Sekundärreserve und Minutenregelleistung einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität dar, die für den Zugang der volatilen erneuerbaren Stromproduktion aus Wind- und Solarkraft von grundlegender Bedeutung ist. Hierzu verweisen wir auf die Studie von Prof. Dr.-Ing. Markus Zdralleck über den netztechnischen Beitrag der kleinen Wasserkraft.

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Regenerative Stromerzeugung gegenüber Gewässerökologie:

eine gesamtökologische Abwägung ist erforderlich.

 

Durch die Verdrei- bis Verviefachung der Mindestwassermenge gegenüber der alten Erlasslage werden die Ausleitungsstrecken zukünftig ökologisch aufgewertet. Wir gehen davon aus, dass das erklärte Ziel dieses Erlasses also die Aufwertung dieses Lebensraumes in den Ausleitungsstrecken während der abflussarmen Zeiten für Kleinstlebewesen / Makrozoobenthos hin zu einem Lebensraum für Fische tatsächlich erfogen würde. Wir wissen, dass dieser Lebensraum nur 1,2% der hessischen Fließgewässerlängen betrifft. Ein guter Teil dieser Ausleitungsstrecken befindet sich dabei in bebauten Bereichen mit massivem Längs- und Sohlverbau und damit nur einer geringen Möglichkeit, überhaupt eine Aufwertung zu erfahren. Ein erreichen des „guten Zustandes“ ist in diesen Bereichen ebenfalls vollkommen ausgeschlossen, da eine Bewertung „mäßig“ (3) für den Morphologischen Zustand unmittelbar die Gesamtbewertung „gut“ (2) verhindert.

 

Es sei erwähnt, dass die Durchgängigkeit hierbei keine Rolle spielt, da sie unabhängig vom der Mindestwassermenge und dem Erlass durch den Betreiber der Wehranlage wiederhergestellt werden muss oder bereits schon hergestellt wurde. Sie kann ebenso durch den Betriebsgraben und einen Fischaufstieg an der Anlage erfolgen, was auch in diesem Fall mit der Mindestwassermenge nichts zu tun hat.

 

Der zeitweisen ökologischen Aufwertung von 1,2% der hessischen Fließgewässer steht nun der jährliche Erzeugungsverlust von mindestens 84 GWh/a, jedoch eher 120 GWh/a stetigen, regenerativen und klimafreundlichem Strom mit einer Verfügbarkeit von bis zu 8000 h/a gegenüber. Hinzu kommen die entsprechenden Netzdienstleistungen, die gleichsam mit der Mindererzeugung entfallen.

 

Diese überaus stetige Energiemenge zusammen mit den Netzdienstleistungen muss kompensiert werden, was derzeit in Hessen nur durch Kohlekraft erfolgen kann. Es ist davon auszugehen, dass das Kohlekraftwerk Staudinger bei Hanau, welches mit Abstand der größte hessische CO2-Emittent ist, einen großen Teil dieser Energie bereitstellen muss. Auch in den benachbarten Bundesländern stehen keine stetigen und regenerativen Erzeugungskapazitäten zur Verfügung, welche die Mindererzeugung durch den Erlass kompensieren könnten. Es bleibt daher nur die Kompensation aus zentralistischer und fossil-atomarer Grundlaststromproduktion.

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Zusätzliche Kosten für die Energiewende in Hessen durch den Erlass

 

Hessen verpflichtet sich, bis 2050 klimaneutral zu werden. Durch den Erlass wird ein Teil der bisher erreichten CO2-neutralen Stromproduktion rückgängig gemacht und durch Kohlestrom ersetzt. Es sind daher zukünftig Anstrengungen erforderlich, diesen Stromanteil erneut durch stetige, regenerative Stromerzeugung zu ersetzen.

 

Als Hauptproblem zeigt sich jedoch, dass aufgrund der Stetigkeit des verminderten Stromanteils (bis zu 8000 Stunden im Jahr) keine Technologien zur Verfügung stehen, womit dieser Stromanteil ersetzt werden könnte. Die einzige regenerative Energiequelle, die dies leisten könnte, wäre die Stromproduktion aus Biomasse. Um die durch den Mindestwassererlass fehlenden 84-120 GWh stetigen Strom mit Silomais zu erzeugen, sind mindestens 4.485 ha und bis zu 6.400 ha Maisfläche erforderlich (Silomais/Energieäquivalent sei mit 18.731 kWh/ha angenommen nach https://biogas.fnr.de/daten-und-fakten/faustzahlen/). Dieser naturschutzfachliche Eingriff ist jedoch sicherlich erheblich höher als die gewässerökologische Aufwertung von 1,2% der hessischen Fließgewässer. Auch bestehen diese Erzeugungskapazitäten derzeit nicht.

 

Wenn nicht Kohlekraftwerke wie Staudinger diesen Strom zur Verfügung stellen sollen, müssen zeitnah regenerative Erzeugungskapazitäten zur Verfügung gestellt werden, da der Erlass stetig und mit Nachdruck aus dem Ministerium in Richtung der überlasteten Vollzugsbehörden schneller vollzogen werden soll.

 

Die Herstellungskosten für diese Erzeugungskapazitäten im Falle von Biomasse aus Mais belaufen sich alleine auf mindestens 44 Mio. € und bis zu 63 Mio. € (Angenommene Herstellungskosten sind 4500,- €/kW nach http://www.iwr.de/bio/biogas/Checkliste-Biogas-Anlage.html). Hinzu kommen die dauerhaften naturschutzfachlichen Eingriffe durch die Bewirtschaftung der Monokultur von bis zu 6.400 ha Maisfläche.

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Die Umweltschäden und ökologischen Eingriffe durch den Erlass

 

Ausgehend von einer zu kompensierenden Strommenge durch den bundesdeutschen Energiemix von mindestens 84 GWh/a und bis zu 120 GWh/a können wir den jährlichen Ausstoß folgender umwelt- und klimaschädlichen Emissionen durch den hessischen Mindestwassererlass zugrundelegen:

 

Kohlendioxid (gem. BMU 04.2019):                                               39.816 t         bis zu       56.880 t

Umweltschaden durch CO2 (180,-€/t):                                          7.166.880,- €  bis zu      10.238.400,- €

 

Weitere jährliche Emissionsmengen gem. Hohmeyer Berlin (Quelle leider veraltet, jedoch aussagekräftig)

​Schwefeldioxid:                                                                               2.391 t            bis zu      3.416 t

Flugasche und Schlacke:                                                                48.631 t          bis zu      69.473 t

Schwermetallige Stäube:                                                                72 t bis           bis zu     104 t

Grundwasserverbrauch:                                                                 663 Mio. Liter bis zu      947 Mio. Liter

Kumulativer jährlicher volkswirtschaftlicher Schaden durch alle diese Emissionen gem. Hohmeyer, Berlin:

                                                                                                        4.682.297,- €    bis zu       6.688.995,- €

 

Jährlicher radioaktiver Abfall gem. Lichtblick AG 2019:            58 kg                bis zu       84 kg

 

Die Kosten für die Entsorgung des radioaktiven Abfalls sind nicht seriös zu beziffern.

 

Falls diese zu kompensierende Strommenge von mindestens 84 GWh/a und bis zu 120 GWh/a durch den bundesdeutschen Kohlekraftwerkspark produziert werden soll, können wir den jährlichen Verbrauch von folgenden Energierohstoffmengen zugrundelegen:

 

Steinkohleeinheiten (SKE) :                                                           27.153 t            bis zu       38.790 t

oder

Braunkohle:                                                                                    81.459 t             bis zu      116.370 t

 

Die Werte sind erschreckend hoch, aber es ist die Realität der Naturgesetze. Der damit verbundene Schaden für Klima, Umwelt und unsere Volkswirtschaft übersteigt bei weitem die gewässerökologische Aufwertung von 1,2 % der hessischen Fließgewässer von einem Lebensraum für wirbellose Wasserlebewesen zu einem Lebensraum für Fische. Wir möchten daran erinnern, dass die Durchgängigkeit auch ohne den Mindestwassererlass durch den Betreiber der Stauanlage verpflichtend herzustellen ist.

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Die Umweltschäden durch die Verlandung der Betriebsgräben und Absenkung der Grundwasserspiegel in der Aue

 

Wir gehen davon aus, dass 70% der Kleinwasserkraftanlagen ihren Betrieb aufgrund des Mindestwassererlasses einstellen werden, und ihnen daraufhin das Wasserrecht entzogen wird. Jede Kleinwasserkraftanlage, die ihren Betrieb einstellt, wird auch kein Wasser mehr durch ihre Betriebsgräben lassen. Der dafür erforderliche Aufwand wäre ohne den Betrieb der Kraftanlage erheblich. Die Gräben werden zunehmend verlanden oder teilweise verfüllt, da die Flächen dann für Zwecke wie Landwirtschaft, Wegebau oder anderweitig genutzt werden. Genauso werden die Wehrkörper mittel- und langfristig verschwinden, was sich in einer Absenkung des Grundwasserspiegels in der Aue bemerkbar machen wird. Für diese Entwicklung gibt es an jedem Gewässer unzählige Belege, die durch frühere Mühlensterben verursacht worden sind. Noch vor 70 Jahren gab es zehnmal mehr Mühlen in Hessen!

 

In Zeiten des Klimawandels sind diese Tendenzen absolut kontraproduktiv, da der Abfluss von Wasser eher verlangsamt werden muss und Rückzugshabitate in den tiefen Betriebsgräben bei Hoch- und vor allem bei Niedrigwasser für den Erhalt des Fischlebens in Forellen- und Äschenregionen von existenzieller Bedeutung sind. Insbesondere steht dies der Grundwasserbildung entgegen. Die Auswirkungen des Klimawandels werden mit der Zeit zunehmen, wie uns die Jahre spätestens seit 2016 zeigen und was auch von Klimaforschern vorausgesagt wird.

 

Alleine an dieser Tatsache kann man nun sehr leicht den ökologischen Umweltschaden durch den Erlass zeigen, da die mittel- und langfristige Transformation von einem Zweibettgerinne (Mühlgraben und Mutterbett) zu einem Einbettgerinne (seichtes Mutterbett, welches im Sommer vielfach austrocknet und den Grundwasserspiegel absenkt) immer eine nachteilige ökologische Wirkung entfalten wird.

 

Ein markantes Beispiel für den unbedachten Rückbau von Querbauwerken an Gewässern wird in dem folgenden Beitrag gezeigt. Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir nicht alle Aussagen und auch die Art und Weise des Beitrages nicht teilen. Jedoch ist eine klare Sprache bei der teils erheblich fortgeschrittenen Entfremdung der Gewässerbewirtschaftung von wissenschaftlichen Tatsachen dringend erforderlich.

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Berücksichtigung Stromproduktion

Zusätzliche Kosten für die entfallenen Netzdienstleistungen durch den Erlass

 

Die zusätzlichen Kosten für Netzdienstleistungen durch den Vollzug des Erlasses können aus dem Gutachten von Prof. Zdralleck „Netztechnischer Beitrag von Kleinwasserkraftwerken zur Energiewende in Deutschland beispielhaft für Nordhessen“ überschlägig ermittelt werden. Geht man davon aus, dass der Verlust der Stromproduktion aus Wasserkraft hessenweit um 20% zurückgeht, so entspricht dies zusätzlichen Netzausbaukosten von 17 Mio. €.

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Keine Berücksichtigung der sozio-ökonomischen Auswirkungen

 

Die Wasserkraft in Hessen sichert rund 1000 krisensichere Arbeitsplätze im ländlichen Raum innerhalb einer systemrelevanten Infrastruktur. Der Rückbau und die Aufgabe von 70% der Wasserkraftanlagen durch den Vollzug des Mindestwassererlasses wird einen Großteil dieser Arbeitsplätze unwiederbringlich vernichten.

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Keine Berücksichtigung des Eflow – Leitfadens der EU-Kommission

 

Die Europäische Kommission hat im Zusammenhang mit der WRRL einen Leitfaden herausgegeben (Guidance Document on Ecological Flows in the implementation of the Water Framework Directive). Dieser Leitfaden ist bei der Erarbeitung des Erlasses zu keiner Zeit berücksichtigt worden, obwohl er speziell für die Erarbeitung von Gesetzesnormen der Mitgliedstaaten zum Mindestwasser im Zusammenhang mit der WRRL von der EU-Kommission herausgegeben wurde. Hier finden Sie die deutschen Übersetzung des Leitfadens in Teilen.

 

Die Berücksichtigung des Leitfadens hätte wesentlich geringere Mindestwassermengen zur Folge gehabt, was möglicherweise einen ausgewogenen Interessensausgleich und damit den Fortbestand der vielen Wasserkraftanlagen bei gleichzeitiger ökologischer und vor allem WRRL-konformer Aufwertung der Ausleitungsstrecken erreicht hätte.

 

Dies zeigt schonungslos die offensichtliche Missachtung der Sichtweise der EU-Kommission, die ebenfalls auf das klare Ziel des Ministeriums hinweist, die kleine Wasserkraft in Hessen unwirtschaftlich zu machen.

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Keine adäquate Berücksichtigung der Situation in anderen Bundesländern

 

Hessen prescht in Sachen Mindestwasser vor. Kein anderes Bundesland hat eine ähnlich scharfe Regelung.

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Keine Berücksichtigung von rückgestauten Ausleitungsstrecken

 

Rückgestaute Ausleitungsstrecken können mit dem Mindestwassererlass nicht im Sinne des Erlasses bemessen werden.

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Fehlerhafte Regelung für Lachs-Vorranggebiete

 

Eine fehlerhafte Regelung für Lachs-Vorranggewässer erhöht den Mindestabfluss gerade für mittlere und große Anlagen in erheblichem Maße. Hier liegt ebenfalls ein Fehler im Erlass vor, der die Vollzugsbehörden vor Probleme stellt.

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Keine Berücksichtigung der unmöglichen Wiedererlangung von Rechten

 

Die Wiedererlangung von Wasserrechten zum Betrieb von Kleinwasserkraftanlagen und historischen Mühlen nach dem Vollzug des Erlasses ist praktisch unmöglich. Es geht eine jahrtausende-alte Kultur auf nachhaltige Weise Energie zu gewinnen unwiederbringlich verloren. Grund hierfür ist der Mindestwassererlass und die maßlos überhöhten Auflagen und die fehlende Berücksichtigung der Vorteile der Wasserkraft bei nahezu jeglicher Abwägung.

 

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